Das Geheimnis der Beerdigung: Was Mama in Omas Sarg legte – und warum danach seltsame Dinge im Haus geschahen

Nach Omas Tod veränderte sich etwas in unserem Haus. Zuerst war es kaum wahrnehmbar: Die Uhr blieb pünktlich um Mitternacht stehen, oder man hörte leises Löffelklappern in der Küche, obwohl niemand da war. Wir schoben es auf Müdigkeit und Nervosität. Doch dann geschah es jede Nacht.

Alles begann am Tag der Beerdigung.

Die letzte Reise

Eine dichte, fast greifbare Stille lag in der Kirche. Die Luft war erfüllt von Wachs, Weihrauch und etwas anderem – süß und beunruhigend. Der Priester las das Gebet, die Kerzen knisterten, und ich betrachtete Omas Gesicht – ruhig, gütig, als wäre sie nach einem langen Tag einfach eingeschlafen.

Mama stand daneben. Ihre Hände zitterten, aber ihre Augen blieben trocken. Als der Moment des Abschieds gekommen war, holte sie einen kleinen schwarzen Beutel aus ihrer Tasche, blickte sich um und versteckte ihn schnell unter dem Kissen im Sarg. Es dauerte nur einen Augenblick, aber ich sah es.

Zuerst dachte ich, es sei nur eine Art Talisman, ein Foto oder ein Brief. Doch später wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte.

Ein Gespräch, das ich nie vergessen werde.

An diesem Abend, als wir nach Hause kamen, hielt ich es nicht mehr aus:

„Mama, was war das? Ich habe gesehen, wie du etwas in den Sarg gelegt hast.“

Sie wurde kreidebleich, als hätte ich etwas Verbotenes gesagt.

„Es hätte nicht sichtbar sein dürfen“, flüsterte sie. „Deine Großmutter … sie hatte Angst, nach dem Tod nicht allein zu sein. Sie bat mich, ein Ritual durchzuführen.“

„Welches Ritual?“

„Ein Schutzritual. Damit ihre Seele nicht umherirrt, damit niemand ihre Asche stört.“ „Aber wenn das Amulett falsch platziert wird …“ Mama zögerte. „Dann bindet es nicht nur die Toten, sondern auch die Lebenden.“

Ich versuchte, ihre Worte zu verstehen.

„Was meinst du mit ‚bindet‘?“ Mama sah mich direkt an:

„Niemand wird dieses Haus verlassen können. Weder sie noch wir.“

Die ersten Anzeichen

Zuerst schien mir alles nur Aberglaube. Doch am Tag nach der Beerdigung, als ich mich auf den Weg zu meiner Freundin machte, ging die Tür einfach nicht auf. Das Schloss war nicht abgeschlossen, aber der Griff rührte sich nicht – als ob ihn jemand von der anderen Seite festhielt.

Später gab Mama zu, dass sie auch am Morgen versucht hatte, das Haus zu verlassen – und es war ihr nicht gelungen. Selbst der Postbote, der sonst immer die Briefe brachte, kam nicht mehr. Das Telefon funktionierte, aber niemand ging ran. Das Internet war ausgefallen. Wir waren von der Welt abgeschnitten.

Nachts hörte ich Schritte – leise, vertraut. Wie meine Großmutter, die langsam in ihren alten Pantoffeln den Flur entlangging. Manchmal hörte ich ihre Stimme:

„Lass das Messer nicht auf dem Tisch liegen … lass das Fenster nicht offen …“

Mama saß schweigend in der Küche. Nur einmal, als ich die Stille nicht mehr aushielt, sagte sie:

„Ich habe versucht, es zurückzubekommen. Ich öffnete den Sarg, aber es war zu spät. Das Amulett war mit ihr verschmolzen.“

Was war in dem Beutel?

Ich fand die Überreste ähnlicher Beutel in der Truhe meiner Großmutter. Jeder enthielt eine Haarsträhne, getrocknete Kräuter, einen kleinen Knochen und einen roten Faden. Zwischen den Seiten eines alten Gebetbuchs lag ein Zettel. Vergilbt, fast abgenutzt, aber die Worte waren noch lesbar:

„Wer dieses Zeichen anbringt, bleibt der Wächter des Hauses. Solange der Geist schläft, verlasse nicht die Schwelle, sonst wachst du in der Erde auf.“

Als ich das Mama zeigte, wurde sie kreidebleich.

„Ich dachte, es wäre ein Schutz. Aber das … das ist ein Schwur.“

Die letzte Nacht

In jener Nacht wachte ich vom Geräusch von Schritten auf. Mama stand weinend an der Tür.

„Sie ruft nach mir“, flüsterte sie. „Ihr ist kalt, ich soll mich zu ihr legen.“

Ich ergriff ihre Hand, doch sie riss sich los und ging in den Flur. Das Licht flackerte. Unter Omas Schlafzimmertür schimmerte ein schwacher Schein hervor, als hätte jemand eine Kerze angezündet.

Als ich hineinrannte, war das Zimmer leer. Auf dem Boden lag dieselbe schwarze Tasche, offen. Eine graue Haarsträhne fiel heraus. Mama stand da, das Foto an ihre Brust gedrückt, und flüsterte:

„Verzeih mir … ich wollte nicht …“

Am nächsten Morgen öffnete sich endlich die Tür. Die Luft war anders – frisch, lebendig. Aber Mama war fort. Auf ihrem Kissen lag ein weißes Tuch – dasselbe, in das Oma gehüllt begraben worden war.

Epilog

Drei Jahre waren seitdem vergangen. Ich wohne in einer anderen Stadt, aber manchmal, wenn ich ins Bett gehe, höre ich eine leise Stimme:

„Steh nicht einfach nur da, hilf mir beim Tischdecken …“

Und ich weiß, sie ist noch da. Und vielleicht ist Mama auch da.

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